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Beim Texttreff – dem Netzwerk wortstarker Frauen – gibt es eine schöne Tradition. Das Blogwichteln. In diesem Jahr habe ich zum ersten Mal mitgemacht und mein Magazin wurde von Katja Rosenbohm alias „Die Orthogräfin“ beschenkt. Das passt besonders gut, da in meinem Garten viele Pflanzen wachsen dürfen, die ich dort nicht vorgesehen hatte. Danke Katja!

Es ist ein Ros entsprungen“ zählt zu den bekanntesten Weihnachtsliedern. Es ist etwa vierhundert Jahre alt, denn seine Entstehung reicht ins 16. Jahrhundert zurück. Es ist also verständlich, wenn der Text für uns heute etwas altmodisch daherkommt und sich seine Bedeutung nicht direkt erschließt.

Es ist ein Ros entsprungen

1. Es ist ein Ros entsprungen
aus einer Wurzel zart,
Wie uns die Alten sungen,
von Jesse kam die Art,
Und hat ein Blümlein bracht,
mitten im kalten Winter,
wohl zu der halben Nacht.

2. Das Röslein, das ich meine,
davon Jesaia sagt,
Hat uns gebracht alleine
Marie, die reine Magd.
Aus Gottes ewgem Rat
hat sie ein Kind geboren,
wohl zu der halben Nacht.

Die Urheber von „Es ist ein Ros entsprungen“ sind nicht bekannt. Die vorliegende Textfassung geht auf Michael Praetorius (1609) zurück.

Die Bedeutung des Textes

Ros steht für Rose – das scheint ein klarer Fall zu sein. Eine Rose, die – mitten im kalten Winter – wie ein Wunder aus einer Wurzel wächst. Oder ist diese naheliegende Lösung zu einfach? Ja, denn das Wort Ros geht hier nicht auf Rose zurück, sondern steht für Reis in der Bedeutung „kleiner, dünner Zweig“. Wer als Kind „Die kleine Hexe“ von Otfried Preußler gelesen hat, erinnert sich bestimmt noch an ihren Reisigbesen. 

Weiter heißt es im Lied, dass die Alten etwas gesungen haben, dass also etwas überliefert wurde. Aber was meint „von Jesse kam die Art“? Wer ist Jesse überhaupt? Jesaia oder gar Jesus selbst? Jesaia wird jedoch erst in der zweiten Strophe erwähnt. Jesse, auch Isai genannt, ist eine biblische Figur aus dem Alten Testament. Er lebte mit seiner Verwandtschaft in Bethlehem und begründet den Stammbaum Jesu: „Doch aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis hervor, ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht.“

Im Lied geht es weiter: Mitten im kalten Winter ist etwas gewachsen: ein neuer Trieb, der ein Blümlein in tiefster Nacht hervorbrachte. Die Andeutungen und Verschlüsselung in Bildern ist fürs Mittelalter typisch. In der zweiten Strophe wird dieses Rätsel schließlich aufgelöst: Hinter dem Röslein verbirgt sich Maria und das Blümlein steht für Jesus. Die Jungfrau Maria hat uns Menschen Jesus Christus geboren. Frohe Weihnachten!

Quellenverzeichnis

https://de.wikipedia.org/wiki/Es_ist_ein_Ros_entsprungen
https://www.br-klassik.de/themen/klassik-entdecken/weihnachtslied-ros-entsprungen-herkunft-text-advent-100.html
https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/familie/weihnachtslieder/weihnachtslieder-2012-10-es-ist-ein-ros-entsprungen-11984311.html

 Bilder

Christrose: Couleur auf Pixabay

Autorenfoto: Katja Rosenbohm

Über die Autorin: Katja Rosenbohm alias „Die Orthogräfin“ lektoriert freiberuflich im Auftrag von Unternehmen. 2021 hat sie mit ihrer Kollegin Andrea Görsch den „Ratgeber Rechtschreibung“ veröffentlicht. Außerdem bloggt sie über sprachliche Alltagsfundstücke und Themen rund ums Lektorat und das Texten.
Website: www.die-orthograefin.de

Katja Rosenbohm, (c) privat